Die Laesio enormis wird auch als „Verkürzung über die Hälfte“ bezeichnet. Du fragst dich, in welchem Zusammenhang der Begriff vorkommt? Er bezieht sich auf Verträge (zB Kaufvertrag oder Mietvertrag): Wurde ein Vertrag abgeschlossen, bei dem die Gegenleistung (Geld) nicht einmal die Hälfte des Wertes des veräußerten Gegenstandes / Objektes bzw. einer Leistung wert ist, kommt es zu einer großen Beeinträchtigung bzw. Schädigung einer Partei. In einem solchen Fall kann der / die Verkürzte (= Geschädigte:r) den Vertrag anfechten bzw. um Aufhebung des Vertrages ansuchen.
Seinen Ursprung hat der Begriff im römischen Recht. Der Wert der Leistung und der Gegenwert müssen objektiv äquivalent sein.
Wann genau kann ein Vertrag wegen Laesio enormis aufgehoben werden?
Wenn der Wert der Leistung mehr als doppelt so groß ist wie der Wert der Gegenleistung.
Hier sind zwei Beispiele:
- Beispiel 1: Es wird ein Kaufvertrag über ein Einfamilienhaus in Höhe von € 200.000,- abgeschlossen. Das Haus hat einen Wert von € 500.000,-. Die / Der Verkäufer:in hat nur 40 % vom tatsächlichen Wert des Hauses erhalten. Es handelt sich somit um eine Verkürzung über die Hälfte und der Vertrag kann von der Verkäuferin / vom Verkäufer angefochten werden. Wäre als Kaufpreis ein Betrag von € 250.000,- oder mehr vereinbart gewesen, hätte die Laesio enormis nicht zugetroffen, weil mindestens 50 % des Wertes bezahlt worden wären und somit keine Verkürzung über die Hälfte mehr erfolgt wäre.
- Beispiel 2: Ein:e Autohändler:in verkauft ein gebrauchtes Auto um € 12.000,-. Das Auto hatte einen Wert in Höhe von € 5.000,-. Es kam zu einer Verkürzung über die Hälfte. In diesem Fall kann die / der Käufer:in den Vertrag anfechten.
Kann die Aufhebung des Vertrages verhindert werden?
Ja und zwar indem der fehlende Betrag vom vollen objektiven Wert der Leistung aufgezahlt wird. Das heißt, dass schlussendlich der doppelte Betrag der ursprünglich widrig vereinbarten Kaufsumme gezahlt wird.
Gibt es Ausnahmen, bei denen der Vertrag vom Verkürzten nicht angefochten werden kann?
Ja, im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) werden einige Ausnahmen angeführt, die eine Vertragsanfechtung wegen Laesio enormis ausschließen:
- Wenn die Sache aus besonderer Vorliebe übernommen wurde.
- Wenn der / dem Verkürzten der tatsächliche Wert bekannt war.
- Wenn der eigentliche Wert nicht mehr erhoben werden kann.
- Bei gerichtlichen Versteigerungen.
- Bei Glücksverträgen und Vergleichen.
- Bei der Vermögensaufteilung im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung.
In welchem Zeitraum muss die Vertragsaufhebung erfolgen?
Die Aufhebung eines Vertrages wegen der Verkürzung über die Hälfte hat binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss gerichtlich geltend gemacht zu werden. Die Laesio enormis kann grundsätzlich vertraglich im Vorhinein nicht ausgeschlossen werden, außer man ist Unternehmer.